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Land will endlich Geld sehen

Konflikt um Behindertenfahrdienst spitzt sich weiter zu

Bremen/Bremerhaven (khl). Der Senat will Bremerhaven vermutlich ab Februar die Mittel für den Fahrdienst für Behinderte kappen. Damit reagiert das Ressort auf einen seit Jahren schwelenden Streit um möglicherweise fehlerhafte Abrechnungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen leitende Mitarbeiter des Sozialamts.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf Untreue. Die beiden Führungskräfte - eine ist zwischenzeitlich pensioniert - sollen es geduldet und gezielt ermöglicht haben, dass im Fahrdienst für Behinderte für die Elbe-Weser-Werkstätten falsch abgerechnet wurde. 
Der Schaden soll sich auf 864.000 Euro von Anfang 2002 bis Ende 2005
belaufen.

Der Verdacht läuft darauf hinaus, dass im Sozialamt nach dem Motto gehandelt worden sei: Wenn das Land zahlt, müssen wir nicht so genau hinsehen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Dr. Jörn Hauschildt, nennt es vornehmer einen "Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit".

Das Audio zur Geschichte:
Audio abspielenDie Bremer Landesregierung wird der Stadt Bremerhaven vermutlich schon bald Zuschüsse für den Fahrdienst für Behinderte kürzen. Auf diese Weise sollen zu viel gezahlte Mittel zurückgeholt werden. Das Ressort wirft dem Magistrat vor, falsche Abrechnungen jahrelang akzeptiert zu haben. Auch die Staats-anwaltschaft ist in dem Fall tätig: Sie hat jüngst ein Ermittlungsverfahren gegen führende Mitarbeiter des Sozialamtes eingeleitet. Ihnen wird Haushaltsuntreue vorgeworfen. Karl-Henry Lahmann berichtet:

Nordwestradio vom 16. Dez. 2008

Was auch immer es war: Das Sozialressort in Bremen macht es mittlerweile ungehalten. "Wir haben Bremerhaven um Stellungnahmen gebeten und da noch keine zufrieden stellenden Antworten bekommen", schildert Sozial-Staatsrat Joachim Schuster den Stand der Diskussion. 
Nun wird es dem Senat zu bunt: "Deshalb werden wir jetzt daran gehen, unsere Forderung mit zukünftigen Zahlungen zu verrechnen." Vermutlich ab Februar soll dies greifen, wenn es bis dahin keine Verständigung gibt.

Zu viel Geld überwiesen

Etwa 200 Behinderte müssen täglich zwischen ihrem Wohnort und einem der Betriebe der Elbe-Weser-Werkstätten befördert werden. Dafür setzen die Werkstätten einen professionellen Fahrdienst ein. Bei der Abrechnung der Leistung soll es zwischen Anfang 2002 und Ende 2005 zu massiven Fehlern gekommen sein. Hauschildt rügt zwei Fehler: 
Einerseits seien Leerfahrten der Wagen - etwa morgens zur Wohnung der Behinderten - wie Fahrten mit Passagieren abgerechnet worden. Und bei Fahrten mit mehreren Fahrgästen im Kleinbus sei eine Rechnung ausgestellt worden, als sei für jeden Behinderten ein Wagen unterwegs gewesen.

All dies haben der Taxiunternehmer oder die Elbe-Weser-Werkstätten aber nicht heimlich in betrügerischer Absicht gemacht, so die Staatsanwaltschaft nach über zweieinhalb Jahren Ermittlung. Denn das Sozialamt war stets im Bilde; somit fehle es an einer Täuschung, die dem Juristen ein unverzichtbares Merkmal beim Betrug ist. Mehr noch: 
Inzwischen scheine klar, dass die zwei Führungskräfte des Sozialamtes von ihren Mitarbeitern auf die Fehler hingewiesen wurden. Daraufhin wurde eine Dienstanweisung erlassen, die das falsche zum korrekten Verfahren machen. Damit ist der Punkt erreicht, an dem Hauschildt das Wort "Untreue" über die Lippen kommt.

Dem Chef der Elbe-Weser-Werkstätten, Johannes Frandsen, fehlt jegliches Verständnis für die Argumentation der Staatsanwaltschaft. 
Die Abrechnung der Leerfahrten sei vertraglich abgesichert. Sie sei auch
vernünftig: 61 Cent je Kilometer würden dem Taxiunternehmer nur dann die Kosten decken, wenn er auch die Abfahrt abrechnen kann. Sonst müsste eben der Kilometer-Satz verdoppelt werden.

Sozialdezernent Melf Grantz (SPD) will sich nicht zum laufenden Verfahren äußern. Zur Rahmenhandlung signalisiert er
Kooperationsbereitschaft: "Die Staatsanwaltschaft erhält alles, was sie
braucht - wenn sie es nicht schon hat." Der Magistrat habe großes Interesse, den Fall abzuschließen. Dann, hofft Grantz, könne "auch die
Auseinandersetzung mit dem Land abschließend geklärt werden".

 

Nordsee-Zeitung vom 17. Dez. 2008

 

  

Audios


Kulturpolitik in der Finanzklemme

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Die Bremer Kulturbehörde will die Finanzlücke beim Theater mit weiteren Zuschüssen abfedern. Unter anderem soll das finanziell gescheiterte Musical "Marie Antoinette" rückwirkend als Beitrag zur Wirtschaftsförderung gelten.

Gleichzeitig will das Ressort Generalintendant Frey offenbar engere Grenzen setzen. Karl-Henry Lahmann berichtet über die Hintergründe in einem Studiogespräch.

Nordwestradio am 8. Juni 2009

 

Kauft Bremen swb?

Audio abspielenRund zehn Jahre nach dem Verkauf der Mehrheit an den damaligen Stadtwerke Bremen an den nieder-ländischen Stromkonzern Essent könnte Bremen diese Anteile nun wieder zurück kaufen: Essent muss die 51 Prozent an der heutigen swb AG vermutlich abgeben, um selbst vom deutschen Stromriesen RWE übernommen werden zu können. Karl-Henry Lahmann erläutert die Hintergründe im Studiogespräch.

Nordwestradio vom 10. Feb. 2008

 

Kreuzliner gekapert

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Offenbar nur mit einer gehörigen Portion Glück ist das vom Bremer Reiseveranstalter gecharterte Kreuzfahrtschiff MS „Astor“ der Kaperung durch Piraten entgangen. Im Golf von Aden wurde der Angriff vor einer Woche durch die zufällig in unmittelbarer Nähe der „Astor“ fahrende deutsche Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ durch Warnschüsse vereitelt. Das Gebiet ist ein Brennpunkt der modernen Piraterie. Darf eine Reederei dort einen Kreuzliner hindurchzu-schleusen versuchen?  

Nordwestradio vom 18. Dez. 2008


 

 

 

Große Pläne am großen Tisch

Nachgehakt: Zehn Jahre Große Koalition

Vor zehn Jahren kamen die Möbelpacker: Sie beraubten das Bürgermeister-Zimmer im Bremer Rathaus seiner repräsentativen Möbel und stellten einen großen, runden Kieferntisch hinein. Die große Koalition im Land nahm am 4. Juli 1995 die Arbeit auf und ihr Regierungschef Dr. Henning Scherf (SPD) drückte der Regierungszentrale auch innenarchitektonisch seinen Stempel auf.

Foto: Senatspressestelle Bremen

Zehn Jahre später hat dieser Tisch zahllose problemtriefende Akten getragen und nur wenige problemlösende. Es mag noch Ansichtssache sein, ob die rot-schwarze Koalition ihre Sache hätte erfolgreicher machen können. Ob sie die kleinen und großen Katastrophen professioneller hätte bewältigen und die Situation des Landes zum Besseren hätte wenden können, wären an der Kiefernplatte andere Entscheidungen getroffen worden. Unstrittig ist bis in die Reihen der Koalition hinein: Das Land ist in seiner Existenz gegenwärtig gefährdeter denn je.

Kaum aufgestellt, schlugen auf dem Massivholz krachend die Zeugnisse der schwersten Wirtschaftskrise des Landes der vergangenen Jahrzehnte auf: Der Vulkan versank nahezu vollständig in seinen eigenen Docks; das maritime Bremen war bis ins Mark getroffen. Auch danach ließen wechselnde Wirtschafts- und Finanzsenatoren die Büroboten haufenweise Berichte zu unterschiedlichen Themen auf dem Möbel platzieren, denen im Kern zumeist eines gemein war: Die Sache läuft schlechter, als geplant.

Mitten auf dem von einer Behindertenwerkstatt gezimmerten Tisch steht stets eine mit frischen Äpfeln gefüllte Schüssel – die Vitaminstöße wird der Mann davor gebraucht haben. Denn auch nach zehn Jahren werden die Koalitionäre immer wieder so regelmäßig mit zwei schier unüberwindlich erscheinenden Problemen konfrontiert, wie der Tisch vom Staub befreit wird: Die nicht nur gleichbleibend erdrückende, sondern sogar steigende Arbeitslosigkeit. Von 1994 bis 2004 nahm sie von 40.000 auf 42.000 Personen beziehungsweise 13,7 auf 14,4 Prozent im Land zu. Die Messgröße der Verschuldung wechselte seit dem Einzug des Tisches ins Rathaus von Mark auf Euro – die Summen blieben gigantisch.Dabei gingen Schecks über das den ganzen Raum dominierende Einrichtungsstück, von denen andere Regierungschefs nur träumen können: Die zwei Sanierungsverträge mit dem Bund spülten 8,5 Milliarden Euro in das Land. Die Kontoauszüge, die Scherf an seinem Möbel studieren musste, wiesen von all dem nichts aus: Die Verschuldung nahm von etwa 9 auf nunmehr rund 12 Milliarden Euro zu – trotz dieser Geldflut und auch trotz erheblich über die Absprachen mit dem Bund hinaus gehender Sparmaßnahmen, auch beim Personal.

Zum einen, weil die bundesweite Konjunktur nicht ansprang, sondern statt dessen in eine tiefe Depression verfiel. Jede Steuerprognose konnte so auf direktem Weg von der Tischplatte in den Papierkorb darunter wandern, sie entpuppten sich als Muster ohne Wert. Das verbindet sie mit dem „Kanzlerbrief“, dem größten diplomatischen Fehlgriff, den dieser Senat hinbekommen hat: Der Tausch „Ja zur Steuerreform gegen Geld – viel Geld – vom Bund“ floppte vollständig. Sparprogramm um Sparprogramm wurde von den Koalitionsspitzen an der Tafel ersonnen, bis die Platte von ausgefallenen Büscheln bedeckt war – vom Haareraufen. Jedes Mal hieß es: „Mehr geht nicht.“ Jedes Mal folgte in überschaubarem Zeitraum eine verschärfte Version.Seit neuestem erst werden auch die sich an den Ausmaßen der Arbeitsunterlage orientierenden Investitionen – auf große Tische passen große Pläne – zusammengestrichen. Ihr Status als fixe Größe ist ihnen nicht nur aus schlichter Geldnot abhanden gekommen. Sondern auch, weil die Effekte der Milliarden schweren Vorhaben vielfach hinter den ihnen am offenbar allzu grünen Tisch zugeschriebenen Effekten zurück blieben.So trat 1995 der damalige CDU-Finanzsenator Ulrich Nölle noch mit dem Ziel an, 40.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und 55.000 neue Einwohner ins Land zu locken – Utopie schon damals. Fakt heute: Die Zahl der Erwerbstätigen ging von 397.000 auf 391.000 zurück (davon 299.000 beziehungsweise 273.000 sozialversicherungspflichtige) . Die Einwohnerzahl sank von 680.000 auf 663.000.Trotzdem gelang es der Koalition zwei Mal, einen weiteren Auftrag vom Volk zu erhalten.

Der Tisch blieb, wo er seit 1995 steht. Und sein Eigentümer will die Möbelpacker so bald noch nicht wieder sehen: Auch 2007 tritt Scherf wieder an. Und mit ihm – da mögen viele seiner Genossen noch so leiden – auch die große Koalition.

Nordsee-Zeitung vom 2. Juli 2005

  

 

China-Auto vor dem Audio abspielenStart

Der Zeitpunkt scheint alles andere als optimal: Die Fahrzeug-branche liegt nahezu durch die Bank am Boden liegt. In den Fabriken wird Kurzarbeit geschoben und die Händler kämpfen ums Überleben. Und da kommt eine vollkommen unbekannte Firma aus China und will hier Autos verkaufen: In Bremerhaven sitzt der Deutschland-Importeur für die Marke Brilliance und will hier Autos verkaufen. Doch so schlecht ist das Timing dann vielleicht doch nicht: Mit günstigen Fahrzeugpreisen und staatlicher Abwrackprämie im Rücken soll der Start glücken. Es ist der zweite Anlauf.

Nordwestradio, 13. Feb. 2008

 

 

Familie vor Abschiebung

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Vor 20 Jahren kamen Seyfettin Genc, seine Frau und der vier Monate alte Sohn Izzettin nach Deutschland – Flüchtlinge aus dem Libanon. Über Syrien und die Türkei verschlug es die Familie 1989 erst nach München, dann nach Bremen. Sieben weitere Kinder wurden hier geboren. Sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt, aber wie die meisten Bürgerkriegs-flüchtlinge aus dem Libanon bekam er eine Duldung, die immer wieder verlängert wurde. 16 Jahre lang. Jetzt sollen die Eltern und sechs ihrer Kinder abgeschoben werden.

Funkhaus Europa, 12. Feb. 2008 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Harvey, Godot und die FDP

Nachgehakt: Kandidaten der FDP

Es hat etwas von Harvey, dem Freund, den noch niemals jemand sah. Oder auch von Herrn Godot: Gespräche kreisen um ihn, Grüße lässt er ausrichten. Doch die Bühne betritt er nie. So ähnlich verhält es sich bei der FDP mit der Suche nach „der Lösung“: Sie ist Gesprächsthema, jeder glaubt an sie, erwartet sie gar, doch keiner kennt sie.

„Die Lösung“ wird gebraucht, wenn am 9. Dezember die Landesvertreterversammlung der Liberalen in ihre Fortsetzung geht, nachdem sie Anfang November nach einem Eklat um die Bremerhavener Kandidaten zur Bürgerschaftswahl in die Denkpause geschickt wurde. Damals war der einstimmig von seinem Kreisverband nominierte Bremerhavener Mark Ella in zwei Wahlgängen durchgerasselt.

Morgen könnte sich ein erster Lösungsansatz ergeben: Dann tagen der geschäftsführende Landesvorstand und die Kreisvorsitzenden. Von Landeschef Uwe Woltemath über den Bremerhavener Kreisvorsitzenden Bernd Schomaker und diverse Amtsträger der Partei bis hin zu Ella selbst: Wer auch immer auf das Treffen und den 9. Dezember angesprochen wird, ist „zuversichtlich“, dass es „eine Lösung“ geben wird.

Mark Ella im Wahlkampfeinsatz.     Foto: khl

Welche, bitte schön? Oder konkreter: Wer hat die besseren Nerven? Wie oft lässt Ella sich niederstimmen? Wann vergeht den Bremer Delegierten die Lust an der Obstruktion, wann sind sie bereit, die Hoheit der Bremerhavener FDP über ihren Wahlkreis anzuerkennen? Antwortvarianten gibt es zahlreiche. Nur passen die Versatzstücke nicht übereinander. Die Bremerhavener machen dicke Backen und meinen nach vielen Telefonaten Signale ausgemacht zu haben, dass Ella im nächsten Wahlgang eine Mehrheit finden wird. Kreisvorsitzende der FDP aus Bremen, die diese Gespräche am anderen Ende der Leitung geführt haben, zeigen Verständnis für diese öffentlich hochgehaltene Parole. Tatsächlich aber sind sie überzeugt davon, dass die Parteifreunde aus der Seestadt letztlich ein Einsehen haben und einen neuen Kandidaten ins Rennen schicken werden.

Dumm nur: Gerade am Wochenende saßen die Bremerhavener Delegierten zusammen, berieten die Situation und sahen weder Anlass noch Möglichkeit, jemand anderes als Ella zu nominieren – und wenn es sein muss, häufiger als Heide Simonis, die im März 2005 vier Mal meinte, Ministerpräsidentin in Kiel werden zu können, bis sie die Zeichen der Zeit erkannte und abdankte. Fest steht, dass Ellas Karten nicht eben besser geworden sind. Dessen Aussage nach dem ersten Antritt, „das Interesse der Partei ist mir völlig egal, es geht mir um die Bürger Bremerhavens“, wird ihm als vollkommen inakzeptabel angelastet. Gleichzeitig mache es schlaglichtartig klar, wofür er stehe und dass er nicht eben als Gewinn einer FDP-Fraktion im Landtag gesehen würde.

Und das ist sie dann wieder, die Verwandtschaft zwischen „der Lösung“ bei der FDP und Herrn Godot: Der lässt auch immer ausrichten, er komme später. Und bleibt doch weg.

Nordsee-Zeitung vom 28. November 2006

 

 

 

 

 

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